Gestern ist mir wieder eine schwarze Katze über den Weg gelaufen.

Dachten Sie eben an eine männliche Katze? Oder an eine weibliche?
Oder einfach nur an einen geschmeidigen Vierbeiner mit schwarzem Fell und dem Ruf, Schicksale  zu beeinflussen?

Wenn das generische Maskulinum wirklich so schlimm ist wie behauptet, dann müssten Sie an eine weibliche Katze gedacht haben. Denn Katzen haben ein generisches Femininum.
Generisch„, weil mit der „Katze“, die mir über den Weg lief, alle möglichen Katzen gemeint sind, egal welchen Geschlechts. Generisch heißt soviel wie „die ganze Art“.
Femininum“ wegen „DIE  Katze“, also dem grammatisch (!) „weiblichen Geschlecht“.

Sie sehen selbst: Unser Sprachverständnis kann sehr gut zwischen dem grammatischen Geschlecht und dem biologischen Geschlecht unterscheiden. Sich also beim Satz: „Was für eine stolze Katze!“ auch einen Kater vorstellen.

Das geht, solange die Büchse der Pandora nicht geöffnet ist. 

Stellen Sie sich bitte vor, die Kater hätten das Gefühl einer alten Unterdrückung durch die Katzenfrauen. Und finden Belege hierfür auch in der Sprache. Konkret beim generischen Femininum; in „DIE Katze“. 
Und sie würden ihre Empörung in die Gesellschaft tragen: „Wir fühlen uns bei ‚DIE Katze‘ nicht mit genannt! Das ist diskriminierend!“

Und sie würden vor Gericht ziehen. Welches entscheidet, dass in Zukunft nicht mehr von „Katzen“ gesprochen werden soll, sondern nur noch von „Katzen und Katern“.
10 Jahre später würde das Katzen-TV, pardon das „Katzen- und Kater-TV“ mitziehen und lustige „Katzen- und/oder Kater-Videos“ senden, zur Freude ihrer vierbeinigen Zuschauerinnen und Zuschauer. 
Schlaue Lexika würden den „Großkatzen“-Artikel umbenennen in „Großkatzen und Großkater“.

Und endlich, Jahrzehnte später kommt ein:e schlaue:r Katzen- und Katerlinguist:in, um eine „ganz normale, neutrale Rezeptionsstudie“ zu machen.
Er bezw. sie fragt in der Katzen- und Katerschule die Katzen- und Katerkinder, welches Katzen- bzw. Katergeschlecht sie sehen beim Satz „Ihm ist eine Katze über den Weg gelaufen“.
Weiblich, männlich oder überhaupt kein Geschlecht?
Ahnen Sie schon, was die Kinder ankreuzen?
Es ist natürlich klar: der ehemalige Oberbegriff funktioniert nicht mehr als Oberbegriff.
Er ist degeneriert zu einem Unterbegriff!
Und zwar zu dem für die Katzenfrauen!

Das passiert mit generischen Begriffen, wenn die Büchse der Pandora geöffnet wird.

Solange sie geschlossen bleibt, funktionieren die generischen Artikel einwandfrei.
Sobald sie aber mit Empörung und Anschuldigungen geöffnet wird, dann funktionieren sie nicht mehr!

Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Genau so wenig wie die Flüche nicht mehr eingefangen werden können, die der Büchse der Pandora entwichen sind.

Aber noch mal zurück zu den Katzen.  Denn sie helfen uns nicht nur, das „generische Maskulinum“ als Urheber der Ungerechtigkeit zu entlasten. Sondern auch dabei, den wahren Übeltäter zu entlarven.

Die weiblichen Katzen sind in der selben luxuriösen Situation wie die Männer bei uns Menschen: „Katze“ meint entweder eine weibliche Katze, oder aber eine Katze unbestimmten Geschlechts.

Katzenfrauen können sich immer sicher sein, dass sie bei „Katze“ mit gemeint sind. 

Die Kater aber nicht. Ständig ist unklar, ob sie bei „Katze“ auch gemeint sind, oder ob es wieder mal nur um die Katzenfrauen geht. Jedes Mal müssen sie aufs Neue aus dem Kontext recherchieren, ob sie mitgemeint sind oder nicht.

Hier liegt der Grund, wieso die Kater wirklich sauer sein könnten!
Aber doch nicht beim generischen Femininum in „DIE“ Katze.

Die Lösung des Problems liegt ganz nah:
Im Pferdestall stehen Stuten und Hengste, Oberbegriff Pferde.
Jedes Geschlecht hat einen eigenen Namen, keins besetzt den Oberbegriff.
Keine Doppeldeutigkeit, keine Verwechselungen.
Ein Paradies sprachlicher Gleichberechtigung.

Hier liegt der Weg, die Sprache gerecht zu machen: Sobald Katzenfrauen einen eigenen Namen haben, ist das Problem gelöst!

Auf keinen Fall sollte dem Kurzbegriff „Katze“ seine Funktion als Oberbegriff genommen werden!
Um ihn an die Katzenfrauen zu geben!
Um später zu bemerken, dass es ohne Oberbegriffe nicht geht und neue, komplizierte Worte gefunden werden müssen. Was halten Sie z.B. von  Katz*ter???

Nein, das ist der falsche Weg!

Sobald die Katzenfrauen einen eigenen Namen haben, ist das Problem gelöst!
Der richtige Schritt an der richtigen Stelle.

Kein Lexikon müsste umgeschrieben werden; überall „Katze“ durch „Katz*ter“ ersetzt werden.

Zum Glück ist das generische Femininum der Katzen noch nicht „verbrannt“, diese Büchse der Pandora noch nicht geöffnet.
Katzen und Kater können weiter friedlich miteinander leben wie schon seit Jahrmillionen.

Aber: Die Exkursion ins Tierreich zeigt uns, dass nicht das generische Maskulinum das grundlegende Problem ist, sondern die Doppeldeutigkeit der Kurzbegriffe!

Gendern 2.0 setzt genau an dieser Stelle an. Es setzt das um, was die Pferde schon haben: keine Doppelbesetzung des Oberbegriffs.

Die Frage steht im Raum, wie wir mit der seit den 1980er Jahren geöffneten Büchse der Pandora umgehen können, also mit dem „verbrannten“ generischen Maskulinum.

Lösungsvorschlag:

  • Erst das Ende der Doppeldeutigkeit der Kurzbegriffe, also symetrische Moveme für Männer und Nonbinäre.
  • Danach genügend Zeit verstreichen lassen, damit sich unser aller Sprachempfinden an die neue Situation gewöhnen kann.
  • Erst, wenn genügend Zeit vergangen ist, überprüfen, ob sich das Problem mit dem Generischen Maskulinum erledigt hat, oder ob noch am Genus gefeilt werden muss.

In dieser Reihenfolge.  Ansonsten, ohne eine gerechte Grundstruktur, verstricken wir uns immer mehr. Müssen irgendwann Tiere gendern, später Pflanzen. Bücher umschreiben, Filme nachvertonen.
Nicht zu reden vom Aussterben anspruchsvoller Satzkonstruktionen, die mit Genderpause kaum mehr sprechbar sind.

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„Aber die Rezeptionsstudien?
Die beweisen doch, dass das generische Maskulium diskriminiert!“

Ja, es gibt tatsächlich „Rezeptionsstudien“, die bewiesen haben wollen, dass das generische Maskulinum nicht für eine gerechte Sprache taugt.

Solange aber das generische Maskulinum überlagert wird von der elementareren Uneindeutigkeit der Kurzbegriffe, kann diese Frage nicht wirklich beantwortet werden.

Das generische Maskulinum hatte vor 50 Jahren ähnlich gut funktioniert wie heute noch das generische Femininum bei der Katze.
Damals war die Büchse der Pandora noch nicht geöffnet, keine Empörung und kein Shitstorm war über das „der“ gefegt.

Rezeptionsstudien belegen nur das aktuelle Sprachempfinden, den Status Quo. Sie können ohne Berücksichtigung des beschriebenen strukturellen Problems und der jahrzehntelangen Gewöhnungseffekte nicht beweisen, ob das Prinzip der generischen Artikel grundsätzlich nicht taugt.
Sie beweisen höchstens, dass generische Artikel nicht mehr funktionieren, wenn sie jahrzehntelang wegen angeblicher Ungerechtigkeit am Pranger öffentlich beschimpft werden.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Karl A

    Wieso so kompliziert. Die Begriffe Maskulinum, Femininum und Neutrum werden ersetzt durch: „Gattung Der“, „Gattung Die“ und „Gattung Das“, dann sollte es eine jeder Mensch verstanden haben, dass es in der Grammatik gar keine Geschlechter gibt.

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