Nachdem ich – Anka Lüthe – in meinem ersten Video zum Thema „geschlechtergerechte Sprache“ noch die lateinische Endung -us (Plural -i) propagiert habe – um es der nonbinären Gruppe selbst zu überlassen, welche Endung/en sie für sich wählt – plädiere ich inzwischen für eine andere Möglichkeit:

-un/nen für die männliche Movierung, -an/nen für die nonbinäre Movierung.

Für diese Lösung sprechen insbesondere zwei Argumente:

  1. Die männliche Movierungsendung -un/nen steht der – seit Jahrzehnten gängigen und seit Jahrhunderten bekannten – weiblichen -in/nen–Form quasi symmetrisch gegenüber.
    In der Phonetik gibt es das so genannte „Vokal–V“, das ich auch in meinem zweiten Video beschreibe. Dort werden die Vokale in der deutschen Sprache folgendermaßen eingeordnet:

               u                                i

                  o                         e

                        o:

                                 a

Mit „o:“ wird das „offene o“ bezeichnet, das im Deutschen zwar mit demselben Buchstaben geschrieben wird, tatsächlich aber ein eigener Laut ist. Es wird wie das o im Wort „offen“ gesprochen; im Gegensatz zum „geschlossenen“ o, das wie im Wort „Ofen“ gesprochen wird.

Man kann natürlich noch genauer werden und die Umlaute ä, ö und ü berücksichtigen, was aber für unser Thema hier unerheblich ist.

Das i wird als klanglich „hellster“ Laut bezeichnet, das u als „dunkelster“; das a gilt als klanglich „neutral“.

Als Sprach- und Stimmlehrer sowie Musiker spricht mich diese Lösung besonders an; ich halte sie aber auch allgemein für gut nachvollziehbar: Die Frauen haben die „hellste“ Endung, die Männer die „dunkelste“ (nebenbei passend in sehr vielen Fällen zu Männer- und Frauenstimmen!), und Enbys den „neutralen“ Laut a, passend zu ihrer Geschlechts- neutralität.

  1. Für ein sehr wichtiges Argument halte ich die klangliche Unverwechselbarkeit dieser Laute in den Suffixen.

    Bei der Variante „Mülleran“ (für Männer) und „Mülleron“ (für Nonbinäre) beispielsweise wäre eine klangliche Verwechslungsgefahr groß. Denn das o würde hier ja offen gesprochen, also wie im Wort „offen“ (es würde wohl kaum jemand „Mülleron“ sprechen mit geschlossenem „o“ wie in „Ofen“).
    A und (offenes) o klingen aber sehr ähnlich, weswegen sie im Vokal-V dicht beieinander eingeordnet sind.
    Diese Verwechslungsgefahr besteht bei meiner Variante nicht, da die Suffixlaute für die weibliche, neutrale und männliche Form weitestmöglich auseinander liegen, klanglich also gut unterscheidbar sind.

Natürlich sind diese Suffix-Vorschläge neu, insofern also ein gewisser Eingriff in die deutsche Sprache. Allerdings sind ja auch schon bekannte Endungen seinerzeit einmal entstanden und haben sich dann verbreitet.
Eine solche Verbreitung kann heutzutage dank Internet und weiterer Medien besonders leicht und schnell stattfinden, was ja am Beispiel der derzeit propagierten Genderformen mit Doppelpunkt, Sternchen oder Unterstrich; gesprochen mit der „Genderpause“, deutlich wird.

Ganz unabhängig von den Suffixen ist es ja Tatsache, wie auf dieser Webseite auch schon an anderer Stelle aufgezeigt wird, dass die Movierungsformen bei Gendern 2.0 im Sprachgebrauch viel seltener gebraucht werden, als es derzeit mit der weiblichen Form der Fall ist.
Denn wenn die kurze Grundform wirklich – per definitionem – ALLE Geschlechter umfasst, reicht sie in sehr vielen Fällen völlig aus, um allen Geschlechtern gerecht zu werden.
Besonders in der Ansprache – mündlich oder schriftlich – genügt dann z. B. „sehr geehrte Mitarbeiter / Studenten / Zuhörer“! Denn in dieser Form sind wirklich alle Geschlechter enthalten; keines ist nur „mitgemeint“ oder muss sich gar in einem Sonderzeichen suchen… .
Die movierten Formen werden nur gebraucht, wenn tatsächlich eine explizit weibliche, männliche oder nonbinäre Gruppe angesprochen werden soll. Eine „Zwangssexualisierung“, wie sie derzeit durch die Genderformen (binär oder mit Sonderzeichen/Genderpause) stattfindet, fällt weg. Geschlecht wird nur genannt, wenn es inhaltlich von Belang ist – was erstaunlich selten der Fall ist! – , ansonsten geht es schlicht und einfach um MENSCHEN.