Herzlich willkommen bei “Gendern 2.0”
Gendern die zwanzigste, wieso denn das jetzt? 😡
Haben wir nicht genug Theater mit dem Gendern?
Nein, hier geht es um etwas anderes.
Gendern 2.0 ist der einzige Weg raus aus dem Gendersprachenstreit. Gendergerecht, spricht sich aber trotzdem fast wie unsere alte Sprache. Keine Doppelnennungen, keine Sternchen, keine Sprechpause, Radfahrer statt Radfahrende, und auch Studenten gibt’s wieder, männliche, weibliche, und die dazwischen.
Sogar das gescholtene „generische Maskulinum“ darf wieder das tun, was es seit Jahrtausenden tut, lange bevor es “männliche” und “weibliche” Artikel gab: Menschengruppen nach dem benennen was diese Menschen tun, und nicht nach ihrem Geschlecht.
Gut, einen Wermutstropfen gibt es. Männer bekommen – der Gendergerechtigkeit wegen – auf die gleiche Art wie Frauen eine eigene Endung. Das gleiche gilt für Nonbinäre.
Leider steckt unsere Sprache aktuell in einer Sackgasse.
Die Sprache mit dem Gender Gap, also der Sprechpause, funktioniert schon bei einfachen Sätzen nicht; drängt Menschen die nicht so gut reden können noch weiter aus der Teilhabe.
Doppelnennungen schließen die dritte Gruppe aus, die seit 2017 vom BVG nicht ohne Grund vor Diskriminierung geschützt ist. Außerdem bewirken sie die Zerstörung der Oberbegriffe. Es gibt keine Wörter mehr für alle, die zur Schule gehen, oder für alle, die tanzen. Statt dessen nur noch “Schüler und Schülerinnen” oder “Tänzer und Tänzerinnen”.
Jeder der hin schaut sieht wie unsere Gesellschaft immer mehr zerreißt. Unserer Zukunft zuliebe müssen wir die zentrifugalen Kräfte dahinter erkennen und abstellen.
Unter all den Streitfeldern ist die Sprache ein besonderes, denn sie ist mit jedem von uns fest verbunden, von Geburt an. Niemand möchte sich den Mund verbieten lassen, daher wurden die Fronten im Sprachenstreit so unversöhnlich.
Wie kam unsere Sprache in diese Sackgasse, wieso bildeten sich diese unversöhnlichen Lager?
Wegen der Gendergerechtigkeit kann das nicht passiert sein. Unsere Nachbarsprachen haben in den letzten hundert Jahren alle erkannt, wie diskriminierend es ist, Frauen sprachlich zu markieren, Männer aber nicht. Und haben die weiblichen Endungen Richtung Null zurückgefahren. Die teacheress im Englischen, die professeuse im Französischen, die lärarinna im Schwedischen, die lærerinde im Dänischen bzw. Norwegischen und die lerares im Niederländischen – sie alle sind mehr oder weniger verschwunden.
Diese Sprachen ließen die weiblichen Endungen fallen um statt dessen die Oberbegriffe zu nutzen. Mit teacher, professeur, lärar, lærer und lerar können sie Menschengruppen beliebiger Zusammensetzung ganz einfach benennen, völlig gerecht und ohne Zwang zur Sexualisierung. Damit „Geschlechter endlich keine Rolle mehr spielen“ machen sie das logischste der Welt und lassen die geschlechtsbezogene Form fallen – um die Oberbegriffe zu retten.
Nur bei uns im Deutschen ist es umgekehrt. Hier werden die In’s und Innen’s ins Rampenlicht gestellt. Müssen ständig genannt werden, auch wenn es nicht ums Geschlecht geht. “Lehrer und Lehrerinnen” helfen “Schülern und Schülerinnen”. Das führt zum Sterben der Oberbegriffe, denn statt ihrer dürfen nur noch die Doppelformen genannt werden. Und „Lehrer“ sind auf einmal nicht mehr alle, sondern nur noch die Männer.
Das alles obwohl mit dem „in“ in Lehrerin die gleiche Diskriminierung verbunden ist wie bei teacheress, lärarinna und so weiter. Alleine, dass die weibliche “Lehrerin” per Anhängsel aus einem männlichen “Lehrer” abgeleitet wird ist ein k.o.-Kriterium für eine gendergerechte Sprache.
Wie dieser deutsche Sonderweg passieren konnte, wird erst seit Kurzem in den Sprachwissenschaften erforscht. Spät, aber immerhin. Die Punkte, die dort gerade zusammen getragen werden, haben wir hier zusammengefasst.