Viele mit dem deutschen verwandte Sprachen schafften es tatsächlich die diskriminierenden weiblichen Endungen aus ihrem Sprachgebrauch heraus zu drängen. Das Englische vorneweg, aber genauso Niederländisch, Dänisch, Schwedisch, Finnisch und Norwegisch¹. Besonders schön formulierte das Woopie Goldberg: „I’m an actor, not an actress. If I were an actress, I could only play women. But I can play all!“.

„Actor“ ist jeder Mensch der schauspielt. Ein überfassender Begriff, wie wir sie im Deutschen auch haben. Oder müssen wir sagen, wie wir sie bis vor Kurzem hatten. Schauspieler, Lehrer und Kunde, das waren jahrtausendelang übergreifende Begriffe für alle Menschen. Sie gehen zurück bis in die Wurzeln unserer Sprache; in eine Zeit lange bevor es überhaupt feminine und maskuline Genera gab! Was übrigens erst vor kurzem durch Sprachwissenschaftler nachgewiesen wurde.

Das Ergebnis der Forschungen zu diesem Punkt ist, dass vor der Entstehung des weiblichen Movems, also vor mehreren tausend Jahren, Kurzbegriffe wie Sänger, Student oder Wirt nichts mit dem Geschlecht zu tun hatten. Sie standen nur für Menschen die singen, studieren oder bewirten. Dass an der Lateinschule nur Männer studierten hatte nichts mit der Sprache, sondern mit der ungerechten Realität zu tun. Unter „Student“ stellte man sich folglich Männer vor, unter Sänger aber sehr wohl auch Frauen, denn sie sangen; vielleicht sogar mehr als Männer.

Wieso entstand damals, vor mehreren tausend Jahren, in der damaligen Gesellschaft das „-in“? Wurde es von Frauen eingeführt, um endlich in der Sprache sichtbar zu sein? Oder waren es die Männer, die aus dem Wunsch heraus, die Frauen gerechter zu behandeln die Sprache veränderten? Denn „Sprache verändert Realität“, und vielleicht werden irgendwann einmal dank dieser Änderung bald Frauen genauso studieren wie Männer?

Nein, die Realität war eine ganz andere. Stellen sie sich bitte eine Gruppe Reisender vor. Das waren damals meistens Männer. Es geht um die nächste Herberge. Lieber bewirtet; da gibt es etwas zu essen und zu trinken. Von einem Wirt, der in der damaligen Sprache ein Mann oder eine Frau sein. Eine Frau zum Beispiel, deren Mann im Krieg oder schon gestorben war. Auch Töchter bewirteten oft, während ihre Brüder in die Welt zogen.
Als das „-in“ erfunden wurde ging es wahrscheinlich um das Thema Nr. 1 überhaupt. Ein „Wirt“; keine Ahnung was einen da erwartet. Aber eine Wirtin, das lässt auf einen Blick in den Ausschnitt hoffen, da ist vielleicht ein Hintern, auf den geschlagen werden kann. Das „-in“ war das, was es auch heute noch ist: die Markierung als Frau. Aber wahrscheinlich nicht aus Respekt, sondern eher aus Begierde. Das „-in“; Playmate des Jahrtausends?

Das klingt vielleicht unerhört, aber ein nüchterner Blick scheint das zu betätigen.
Nele Pollatschek, deutsche Feministin schreibt dazu: „Wer aus meinem ‚Schriftsteller‘ ein ‚Schriftstellerin‘ macht, kann auch gleich ‚Vagina!‘ rufen.“
Sprachforscher Scholten berichtet, dass in Island, das „Gleichberechtigung nicht nur propagiert, sondern auch lebt“, die Verwendung der weiblichen Formen nur schallendes Gelächter erzeugen.
Germanistikprof. Meineke dazu: Die meisten [dem Deutschen] verwandten Sprachen, nicht zuletzt Englisch zeigen, dass dort Gendern gerade als Diskriminierung oder wie im Isländischen als lächerlich aufgefasst wird.

Siehe die „actress“, gegen die sich Goldberg mit einfachen klaren Worten erfolgreich wehrte. Weder in den USA noch dem britischen Sprachraum sind Actress und Ministress noch zu finden. Margaret Thatcher hieß damals schon Prime Minister, nicht Prime Ministress.

Wieso schafften es die Frauen in den oben genannten Länder, diese diskriminierende Markierung zurückzudrängen, und ausgerechnet im deutschen Sprachraum etablierte sie sich so massiv? Wieso wurde ausgerechnet hier die „Sichtbarkeit“ des weiblichen Geschlechts als gut und richtig empfunden? Während emanzipierte Frauen aus anderen Ländern den Kopf darüber schütteln?

Eine nahe liegende Erklärung:
1918 wurde sowohl in Deutschland als auch in Österreich das Frauenwahlrecht eingeführt. Gleichzeitig erreichte das Radio in den zwanziger Jahren jeden Winkel des Landes. Immer mehr leisteten sich den „Volksempfänger“. Und das darüber verbreitete Gebrüll der Nazischergen erreichte wirklich jeden, vom kleinen Kind bis zum Greis. Und gehörte Sprache geht tiefer als es die geschriebene Schrift schafft.
Das war also der Hintergrund bei Hitlers Vorhaben die Weimarer Republik zu erobern.
Und offensichtlich schaffte Hitler es so gut wie kein anderer, sich diese neue Situation zu nutze zu machen.

Laut dem auf die damalige Zeit spezialisierten Historiker Aly Götz war Hitler der erste, der die riesige Wählergruppe der Frauen direkt ansprach, und zwar auf eine für uns heute ganz normale Art und Weise. Nämlich mit „Volksgenossen und Volksgenossinnen“. Keiner seiner Konkurrenten machte das; sie hingen z.B. mit ihrem „Genossen“ noch bei den alten alle umfassenden Obergriffen fest.  Hitler nutzte diese Art zu reden nicht ab und zu, sondern grundsätzlich. Der auf die Nazizeit spezialisiert Aly Götz dazu: „Hitler genderte als einer der Ersten“. Ähnlich machte das der diktatorisch regierende österreichische Ministerpräsident Schuschnigg:“ Österreicher und Österreicherinnen“.

Manche Nachwahlen wurden 1933 separat ausgewertet werden und zeigten dass Hitler überproportional von Frauen gewählt wurde.

Besonders fatal für die Frauen ist, dass die Doppelnennungen Hitlers zum Menschenbild der Nazis passt wie die Faust aufs Auge. Indem es die Frauen genau wie in ihrem Weltbild auch sprachlich den Männern unterordnet. Denn die Männer, die „Stammhalter“ sind im Besitz des Wortstammes (Genosse, Wirt), die Frauen werden daraus per Endung abgeleitet: ‚Genossinnen‘, ‚Wirtinnen‘. Fachsprachlich: Diese Sprache rund um das weibliche Movem, das „-in“, ist mehrfach asymmetrisch. Die Frau hat eine geschlechtsmarkierung, der Mann nicht. Gleichzeitig hat der Mann den Luxus, sich in dem kurzen Oberbegriff immer wieder zu finden, eine Frau kann sich oft nicht sicher sein ob sie mitgemeint ist oder nicht.

Diese Ungleichheit ist genau das, was Woopie Goldberg und die emanzipierten Frauen der oben genannten Länder erfolgreich ablegten.

Die Frage ist nun: Konnte die deutsche Sprache diese diskriminierende sprachliche Unterordnung der Frau deswegen nicht ablegen, weil die Nazis sie per Volksempfänger besonders tief ins Sprachbewußtsein einbrannten?

Waren unsere feministischen Linguistinnen der ersten Stunde ebenfalls in dieser alten Hypothek verstrickt und sahen als Verursacher der sprachlichen Ungerechtigkeit nicht die Assymmetrie, sondern einen anderen Verdächtigen. Nämlich das generische Maskulinum, das ja spätestens seit den neuesten Veröffentlichungen³ freigesprochen werden muss.

Dass diese Frage über die Ursache und damit auch über den Weg raus aus der sprachlichen Ungerechtigkeit in den frühen 1980er auch unter Feministinnen umstritten war berichtet Luise F. Pusch in diesem Podcast ab Min 31:45. Wo sie erzählt, dass sie sich nicht durchsetzen konnte mit ihrem Wunsch, die Kurzbegriffe wie „Arzt“ zu bewahren. Dass sich statt dessen Frauen durchsetzten, die unbedingt als „Dramaturgin“ in der Sprache sichtbar sein wollten. Statt „im „Dramaturg zu verschwinden“. So kam es dazu, dass die Frauen sich für genau die „-in/innen“-Form entschieden, mit der Hitler und Co in der Weimarer Republik die Stimmen der Frauen einzufangen suchten. Statt den Weg Woopie Goldbergs und der vielen Feministinnen all dieser oben aufgezählten Ländern zu gehen. Nämlich mit den Männern gemeinsam „actor“ oder „Dramaturg“ zu sein.

Wer weiß, wieviel Streit erspart worden wäre, wenn die Feministen der ersten Stunde es damals geschafft hätten, unsere Sprache von femininen Form zu befreien, statt aufs falsche Pferd zu setzen und die Schuld nicht in der Asymmetrie, sondern im gegnerischen Maskulinum zu suchen.

Es gibt also viel zu erforschen. Ist der lange Schatten Hitlers daran schuld, dass unsere Sprachgemeinschaft heute in diesem traurigen Gendersprachenstreit fest steckt, aus dem es offensichtlich keinen Weg hinaus gibt.

Wir können es uns aber auch viel leichter machen:
Gendern 2.0 löst das Problem mit einem Streich.
Es beendet die Unterordnung der Frau unter den Mann durch die Einführung einer symmetrischen Movierung.
Der Streit wird abflauen, die Sprache viel leichter sprechbar. Einfach sprechbar und gendergerechter als es Doppelnennungen und Gendergap-Sprache jemals werden können.