Es gibt einen neuen Forschungsrichtung in der Genderlinguistik. Sie beschäftigt sich mit den Ursachen und Folgen des binären Genderns durch die Nationalsozialisten.
Ja, Sie haben richtig gelesen. „Deutsche Volksgenossen und Volksgenossinnen“ brüllte Hitler regelmäßig ins Mikrofon. Auf Reichsparteitagen nicht weniger laut „Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen“. Damit stand er nicht allein, die Doppelnennungen waren offensichtlich mit Goebbels & Co abgesprochen. Eine einfache Recherche zeigt die regelmäßige Nutzung in verblüffender Klarheit.

Ein Grund liegt auf der Hand: Seit 1918 durften in Deutschland und Österreich Frauen wählen; gleichzeitig sank das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre. Hitler fing so gleich beide Gruppen ein. Er sprach als erster direkt die Frauen an; gleichzeitig heuchelte er den Jungwählern vor, wie modern und respektvoll er Frauen gegenüber sei. Eine Strategie die aufging, wie die Analyse von Götz Aly zeigt. 

Aber egal aus welchen Gründen, Hitler startete mit seinen Doppelnennungen das Gendern. Hauptsächlich in der Ansprache, aber was ändert das? Wer eine gemischte Gruppe Schüler nicht mit „Liebe Schüler“, sondern mit „Liebe Schülerinnen und Schüler“ anredet, der ignoriert die Existenz der geschlechtsübergreifenden Oberbegriffe und leitet schlicht und ergreifend ihre Zerstörung ein. Eine Zerstörung, vor dessen Abschluss wir heute stehen, wo es im Rundfunk keine Schüler und keine Franzosen mehr gibt; nur noch ‚Schüler und Schülerinnen‘ bzw. ‚Franzosen und Französinnen‘. Hitler startete das mit seinen Anreden und deren millionenfachem Einhämmern in die Köpfe: „Nationalsozialisten und Nationalsozialistinnen, Volksgenossen und Volksgenossinnen“.

Dass die Ursache des Gendersprachenstreites im dritten Reich liegen könnte wäre natürlich unerhört. Trotzdem brauchen wir die Klärung dieser Frage, gerade im Hinblick auf eine Lösung des schier unlösbar scheinenden Streits, und auch angesichts der zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaft. 

Offene Fragen sind zum Beispiel:

  • Wie stark schlug sich diese Sprache von Hitler und Co im deutschen Sprachverständnis während und vor allem auch nach der NS-Zeit nieder, angesichts der enormen Verbreitung durch Kino und Volksempfänger bis in den letzten Winkel des Reiches, und angesichts erzwungener Hörstunden in Fabriken, Behörden und Schulen? 
  • Spielte dieser Einfluß eine Rolle, als sich westdeutsche Feministinnen in den 1980er Jahren dazu entschieden mit ausgerechnet diesem Sprachansatz der Nazis (Doppelnennungen mit den weiblichen Formen statt der Oberbegriffe) „endlich in der Sprache sichtbar“ zu werden?
  • Wieso passierte in der DDR der gegenteilige Weg (Bewahrung der Oberbegriffe mit dem generischen Maskulinum)?
  • Welchen Auswirkungen hatte es nach dem Mauerfall, als westliche Rundfunkanstalten die  Sprache in der DDR (Oberbegriffe mit generischem Maskulinum) ersetzten durch den Sprachgebrauch im Westen, der das generische Maskulinum verteufelte?
Wir vom Gendern 2.0 wurden erst im Sommer 2024 auf diese Fragen aufmerksam. Wir sehen die Brisanz dahinter und fürchten noch mehr um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft als wir es schon vorher taten. Aber wir kennen auch den einfachen Weg raus aus der Sackgasse: Gendern 2.0. 
Hier zwei Versuche sich dem schwierigenThema anzunähern:

Annäherung mit Schwerpunkt Gendergerechtigkeit
Annäherung mit Schwerpunkt NS-Vergangenheit