Wie geriet unsere Sprache in diesen Streit?
Um ihn zu lösen müssen wir verstehen, was wann falsch gelaufen ist.

Hethitisch

Die deutsche Sprache geht zurück auf das Hethitische, eine alte indogermanische Sprache. Obwohl mehrfach in der Bibel erwähnt blieb die Geschichte und Kultur der Hethiter lange unbekannt. Erst 1905 wurden in der heutigen  Türkei/nördl. Syrien 30.000 Steintafeln mit einer Keilschrift gefunden, die in den folgenden Jahrzehnten entschlüsselt werden konnten. In dieser Sprache stecken die Ursprünge des Deutschen. Ihre weitere Erforschung hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. So wissen wir heute viele Dinge, die in den 1980er Jahren, als unsere Sprache durch den Feminismus angegriffen wurde noch spekulativ waren.

Menschengruppen

Das Hethitische kennt Namen für Menschengruppen, vergleichbar mit unseren Namen Jäger, Bauern und Steuereintreiber. Heute wissen wir, dass diese Begriffe in unserer Ursprungssprache generisch sind. Was bedeutet, dass sie für alle Menschen galten, unabhängig von ihrem Geschlecht.

Geschlechtsmarkierung

Während die älteren Hethitischen Schriften in ihren Wörtern für Menschengruppen keine geschlechtliche Differenzierung zeigen, tauchte vor ca. 4000 Jahren ein weibliches Movem auf. Also eine Endung, die einen Jäger (also einen Jagenden ohne geschlechtliche Kennzeichnung) als weiblichen Jäger kennzeichnet. Aus dieser Endung hat sich im Deutschen das ‚“-in“ entwickelt.
Eine analoge Endung für Männer ist nicht zu beobachten, weswegen das Hethitisch durch das weibliche Movem eine Sprache mit assymmetrischer Movierung wurde.

Endlich ein männliches Movem

Vor ungefähr vor 1000 Jahren bildete sich lange nach der Abspaltung der romanischen  Sprachen im Deutschen ein männliches Movem: das „-rich“. So konnten z.B. Minnesänger in ihren Liebeslieder trefflicher singen. Nicht nur, wie der Mann von der Bäckerin träumt, sondern auch die Frau vom Jägerich. 
Es ist spannend zu sehen, wieso dieses männliche Movem damals überhaupt entstanden ist.
Und genauso spannend ist es zu ergründen, wieso es sich damals nicht fest etabliet hat. 
Eine Erklärung: die gesellschaftlich prägenden Gruppen waren damals von Männern dominiert. Folglich war es einfacher, statt von „Jägerichen und Bürgerichen“ von „Jägern und Bürgern“ zu sprechen. Wo doch sowieso nur Männer in der Bürgerversammlung und der Jägerschaft waren: Es ist kürzer, und jeder weiß was gemeint ist. Ein einfacher sprachökonimischer Grund, der sich aus der ungleichen Geschlechterverteilung ergab.

Gleichberechtigung

Die Emanipationsbewegung und Gender Mainstreaming haben inzwischen dazu geführt, dass Frauen in allen Lebensbereichen heutiger Demokratien genauso dabei sind wie Männer; wie auch Menschen aus dem Spektrum dazwischen.
Und mit einem Mal rächte sich die Assymmetrie in unserer Sprache. Es gab nur Oberbegriffe, und zusätzlich die Möglichkeit, Frauen zu kennzeichnen. Aber wegen der fehlenden Möglichkeit zur Kennzeichnung von Männern war bei den Oberbegriffen wie „Bürger“ nicht klar, ob es um Männer oder um alle geht. Das Argument, Frauen seien mitgemeint, überzeugte nicht alle Frauen.

Die Gerichte

1991 ging eine Frau vor Gericht, weil sie ihren Reisepass „nicht abholen konnte“. Dort, wo sie den Empfang quittieren sollte, stand „Inhaber“. Sie sei aber kein Inhaber, sondern eine Inhaberin. Das Gericht wusste damals nichts vom generischen Ursprung der Kurzbegriffe im Hethitischen und entschied, dass die Frau tatsächlich kein Inhaber, sondern eine Inhaberin sei. Und dass in diesen amtlichen Formularen zukünftig „Inhaber bzw. Inhaberin“ stehen muss.
Diese gerichtliche Entscheidung leugnete zum Einen die Realität unserer sprachlichen Ursprünge.
Gleichzeitig bedeutete sie den Einstieg ins Ende unserer Oberbegriffe. Es gab mit einem Schlag kein Wort mehr für alle, die einen Pass besitzen. Und keins mehr für alle, die zur Schule gehen, denn Schüler waren auf einmal nur noch die männlichen Schüler. Ins Lehrerzimmer müssen sich die Frauen seitdem heimlich hereinschleichen, denn sie sind ja keine Lehrer, sondern Lehrerinnen. Eine Bewerbung zum Busfahrer geht nicht mehr, denn auch das sind angeblich nur noch die Männer. 
Das war also der entscheidende Einstieg in den Streit, in welchem heute unsere Gesellschaft festhängt.

Die Lösung

Solange unsere Sprache keine symmetrische Movierung kennt kann es keine gleichberechtigte Sprache geben. 
Das Fatale: Im Mittelalter hatten wir schon den Ansatz für eine symmetrische Movierung! Als die Minnesänger vom Jägerich und Wüterich sangen. Also den gleichberchtigten Pendants zur Jägerin und Wüterin.
Wir müssen also, so schwer es vielen auch fällt, zurück gehen an die Stelle, wo Jäger und Wüter noch Oberbegriffe waren. Keine Männer, sondern alle, unabhängig vom Geschlecht. Und dann müssen wir das hin bekommen, was sich im Mittelalter nicht etablieren konnte. Uns – neben dem weiblichen Movem, dem „-in“ – auch an ein männliches Movem gewöhnen. Langsam, aber sicher.
Besonders vertraut ist uns natürlich das Movem, das noch in unserer Sprache schlummert und viele kennen. Denn fast jedem von uns ist klar, was ein Wüterich und ein Enterich ist. Es gibt aber auch Ideen für andere Endungen, die näher am schon existierenden weiblichem Movem sind.